In den letzten Wochen hatte ich Gelegenheit, Windows Phone 7 auszuprobieren. Für einen Artikel, der in Kürze erscheint, und für einen CeBIT-Vortrag hatte mir O2 ein HTC HD7 leihweise zur Verfügung gestellt. Hier ein paar meiner Eindrücke und Erkenntnisse.
Design und Oberfläche
Microsoft hat den Mut bewiesen, seine Rückkehr in den Smartphone-Markt mit einem völlig neuen Design zu versuchen. Das GUI von Windows Phone 7 (im Folgenden auch: WP7) unterscheidet sich deutlich (und wohltuend) von den Icon-basierten Oberflächen von iPhone und Android. Die grafische Gestaltung mit dem Namen “Metro” setzt fort, was auf dem Medienplayer Zune angefangen hatte. Das Design ist frisch, modern und luftig, und es bietet ein paar gute Ideen.
Die Startseite beruht auf “Kacheln” (blöd benannt, das erinnert immer so an Küchen – oder an Notes …), das sind große Rechtecke, die für ein Programm oder eine Funktion stehen. Viele davon sind animiert oder zeigen Details der dahinterliegenden Applikation an (z.B. die Anzahl neuer Mails). Tippt man auf eine der Kacheln, so fliegen die anderen hübsch animiert aus dem Bild; ebenso fliegen sie herein, wenn man per Windows-Taste auf den Startbildschirm zurückkehrt.
Alle Texte nutzen denselben Font (ähnlich Segoe/Calibri in Windows 7), der größtenteils in einem sehr schmalen Schnitt auftritt. Überschriften sind sehr groß und ragen oft (absichtlich) aus dem Bild heraus. Das nutzt das GUI für eins seiner zentralen Elemente, die Panorama View: Der Bildschirm setzt sich spaltenweise nach links oder rechts fort, man scrollt intuitiv per Wischgeste. Dabei ragt der nicht sichtbare Inhalt meist am rechten Rand etwas ins Bild, sodass man weiß, dass es noch mehr zu entdecken gibt. Gelungen, finde ich.
Das Gerät: HTC HD7
Microsoft macht für WP7-Geräte sehr strikte Vorgaben für die einzusetzende Hardware. Dadurch befinden sich die Geräte (derzeit) funktional und preislich im obersten Marktsegment. Die Telefone sind so leistungsfähig ausgestattet, dass die grafischen Funktionen immer sehr flott und ruckelfrei ablaufen. Ob der hohe Preis der Smartphones einer schnellen Verbreitung zuträglich ist, muss sich zeigen.
Das HD7, das ich testen konnte, befindet sich innerhalb der Gerätekategorie wiederum eher am oberen Ende. Es ist ziemlich groß, dafür relativ flach und sieht sehr edel aus. Es wirkt stabil und ist deutlich schwerer, als ich es erwartet hätte. Die Abdeckung des Kamera-Objektivs auf der Rückseite lässt sich hochklappen und bildet dann einen kleinen Ständer für das Telefon, sodass man z.B. Videos im Querformat freihändig ansehen kann. Ein Hingucker, aber eigentlich auch nur eine Spielerei. Nachteil daran: Steckt man das Telefon in die Tasche, bleibt man schon mal an dem Ständer hängen, der nie völlig anliegt.
Der Auslöser für die Kamera ist unerwartet schwergängig, und man muss ihn tief und deutlich drücken. Da man das Telefon dabei mit den Fingerspitzen balanciert (was mittlerweile leider auch bei fast allen kleinen Digitalkameras nötig ist), verwackelt man die Bilder sehr leicht. Mir ist es bei meinen (zugegeben wenigen) Versuchen selten gelungen, ein scharfes Foto zu schießen, daher kann ich die Bildqualität eigentlich nicht beurteilen, zu der die Kamera vielleicht fähig wäre. Leider wollte nach einigen Tagen die Kamera-Applikation nicht mehr starten … auch Neustarts und sogar das Entfernen des Akkus halfen da nicht. Wäre wohl ein Fall für einen Austausch gewesen.
Die Hörmuschel und das Mikrofon sind ganz oben bzw. unten unter schmalen, abgesetzten “Gittern” verborgen. Leider liegt die obere Kante dadurch beim Telefonieren stark am Ohr an, was ich etwas unangenehm fand – längere Telefonate können sogar ein wenig schmerzhaft werden, wenn man (wie ich) nur auf einem Ohr telefoniert (übrigens das linke ). Die Telefonqualität selbst ist aber in Ordnung.
Der Akku hält zwischen einem und zwei Tagen bei eher mäßiger Nutzung (zuhause und in der Firma per WLAN, sonst halt UMTS). Das scheint bei Geräten dieser Art üblich zu sein. Ich erinnere mich aber durchaus sehnsüchtig an meine alten Mobiltelefone, die durchaus auf zwei Wochen bei üblicher Verwendung kamen …
Programme und Apps
Der Witz an einem Smartphone sind ja die Programme und die “Apps”, wie man das heute nennt. Rein mengenmäßig hat Microsoft da noch einiges gegenüber iPhone und Android aufzuholen. Das Prinzip ist ähnlich wie bei Apple: Apps gibt es nur im Marketplace, andere Installationen sind nicht vorgesehen. Bekannte Jailbreaks gibt es nur zwei: Einer davon ist wieder zurückgezogen worden und wird nach dem nächsten Update nicht mehr gehen (ChevronWP7). Der andere wird erst nach dem SP1 veröffentlicht und soll alle Updates überstehen (sagt sein Entwickler).
Die mitgelieferten Programme sind okay: Das mobile Office (Word, Excel, PowerPoint, OneNote und natürlich Outlook) kann Dokumente seiner Desktop-Kollegen in verschiedenen Formaten anzeigen und die meisten auch bearbeiten. Formatierungen soll es auch dann beibehalten, wenn es sie selbst nicht setzen kann. Die Darstellung ist gut bis sehr gut; ernsthaft Dokumente erzeugen wird man auf dem Telefon aber wohl nur, wenn man gar nichts anderes zu tun hat (da ist sogar das Reinigen des Abflusses schöner).
Die Apps im Marketplace sind wie anderswo auch: Wenigen Perlen steht eine Unmenge an Schrott und Unsinn gegenüber. Dabei habe ich kostenpflichtige Programme allerdings nicht ausprobiert. Leider ist auch die Qualität nicht immer überzeugend: Viele Apps beenden sich mittendrin kommentarlos, was bedeutet, dass sie abgestürzt sind.
Aufgrund des Sicherheitsmodells von WP7 können Apps nicht miteinander kommunizieren, keine Daten über das Gerät austauschen, und auch eine Zwischenablage für Copy & Paste gibt es nicht. Letzteres wird sich mit dem SP1 ändern, das irgendwann zwischen “jetzt” und “Ende März” erscheinen soll.
Der Browser … nun ja. Mobiles Internet auf einem Telefon ist ohnehin ein eingeschränktes Vergnügen. Der Internet Explorer auf dem WP7 erfüllt rudimentär seinen Zweck, aber Spaß ist was anderes. Immerhin funktioniert das Ein- und Aus-Zoomen ganz gut und flott, aber viele Webseiten sehen einfach gruselig aus. Die JavaScript-Engine ist funktional arg beschränkt, Add-ins usw. gibt es gar nicht. Für anspruchsvolle Zwecke will Microsoft eben Apps, die Entwickler über den Marketplace verteilen.
Stabilität
Ich sage es ungern – aber die Stabilität von WP7 auf meinem Testgerät war alles andere als berauschend. Während der knapp drei Wochen dauernden Testzeit ist mir das Telefon mehrfach abgestürzt, sodass ich es komplett aus- und wieder einschalten musste. Einmal hat es sogar unvermittelt von selbst neu gestartet. Was jeweils die Ursache dafür war, kann ich nicht nachvollziehen, weil es von außen keinen Zugriff auf ein Eventlog oder ähnliches gibt. Jedenfalls hatte ich nichts angestellt, was in irgendeiner Weise nicht vorgesehen ist – das Sicherheitssystem lässt das ja (glücklicherweise) nicht zu, und irgendwelche Hacks habe ich nicht ausprobiert.
Schade. Ich hoffe, dass das SP1 da einiges verbessert.
Live-ID
Windows Phone 7 kann man ohne Web-Registrierung einsetzen, und auch die PC-Software Zune ist nicht zwingend nötig. Sobald man allerdings den Marketplace nutzen will, muss man auf dem Gerät eine Live-ID festlegen. Da sich im Laufe eines IT-Lebens schnell auch mehrere solche IDs ansammeln, kann man auch mehrere davon mit dem Telefon verbinden. Dumm nur: Um die erste eingerichtete Live-ID wieder zu entfernen, muss man das Telefon komplett zurücksetzen – unter Verlust aller gespeicherten Daten und Einstellungen.
Ebenso ärgerlich (vielleicht sogar noch schlimmer): Die Live-ID muss einige Eigenschaften besitzen, über die man vorher gar nichts weiß und die bei der Anbindung auch nicht überprüft werden. So weigert sich die Zune-Software bei mir beharrlich, Apps auf dem Telefon zu installieren, weil angeblich meine Live-ID eine andere Spracheinstellung habe als das Telefon. Einzige Abhilfe laut Knowledge Base: Eine neue Live-ID erzeugen … tolle Wurst.
Immerhin kann man Apps auch über das Telefon installieren, wo es diesen Fehler nicht gibt. Ist aber nervig – und reiht sich in die vielen Seltsamkeiten mit Microsofts Live-ID ein, die wohl eher gut gemeint als gut gemacht ist.
Mail- und Kontaktmaschine
Zu den Funktionen, die man beim professionellen Einsatz von WP7 besonders braucht, gibt es in dem bald erscheinenden Artikel sowie auf der CeBIT mehr. Daher hier nur der kurze Hinweis: Mail auf dem WP7 ist okay. Die Oberfläche ist übersichtlich und schnell bedienbar. In WP7 kann man problemlos mehrere Mail-Accounts einbinden, sogar mehrere Exchange-Konten, aber auch IMAP und POP sowie ein paar Spezialanbieter. Für jedes Konto erzeugt WP7 dabei einen separaten Posteingang – mögen viele nicht, ich finde es aber praktisch, weil ich so meine berufliche und private Korrespondenz gut voneinander trennen kann.
Fazit
Das GUI macht Spaß, es ist sehr schick und ein echter Hingucker. Auch für Nicht-ITler ist Windows Phone 7 leicht und eingängig zu bedienen. Es steckt eine Menge guter Ideen drin.
Weniger überzeugend sind die vielen Grenzen, an die man so stößt – all das “XY unterstützen wir noch nicht, aber vielleicht in der Zukunft”. Nachdem es gerade hier zunächst große Hoffnungen auf das Service Pack 1 gab, ist mittlerweile wohl eher davon auszugehen, dass dieses Updates kaum neue Funktionen bringen wird (außer Copy & Paste). Es steht zu hoffen, dass Microsoft die Qualität und den Umfang des Betriebssystems danach zügig weiterentwickelt, gern auch über “kleine” Patches in zügiger Folge. Vor allem an der Stabilität der Plattform muss sich noch vieles tun.
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