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Drei einfache Dinge, die aus Windows 8 das nächste Vista machen können

von veröffentlicht am13. Juni 2012, 06:50 Uhr Kurzlink und Zitatlink einblenden
Kategorie Kategorie: Client-Software, Windows 8   Translate with Google Translate Translate EN   Die angezeigte Seite drucken

imageWindows 8 steht kurz vor der Fertigstellung: Vor wenigen Tagen ist die “Release Preview” erschienen, was die letzte öffentliche Vorab-Version des Betriebssystems bezeichnet. Blogs und Fachpresse diskutieren das neue Windows erwartungsgemäß sehr intensiv. Im Vordergrund steht dabei eine durchaus kritische Frage: Wird Windows 8 ein Erfolg? Oder scheitert es, wie es schon mit Windows Vista vor knapp sechs Jahren geschah?

Technisch gibt es viel Neues in Windows 8, darunter vieles, was insbesondere für Firmen interessant ist. Doch die Diskussion kreist vorrangig um das, was der Anwender als erstes sieht, nämlich das Metro-Design. Microsoft hat für die Bedienoberfläche den großen Wurf gewagt und ein völlig neues Look & Feel für Windows geschaffen, das sich an der reduzierten Optik von Windows Phone orientiert. Dahinter steht die Absicht, Windows 8 als einheitliches Betriebssystem für herkömmliche Rechner (PCs und Notebooks) und für Tablets und tablet-ähnliche Geräte neuer Art zu etablieren. Mit dem Slogan “Touch first” stellen die Redmonder die Metro-Oberfläche in den Vordergrund und lassen den Desktop nur als “sekundäre Oberfläche” für herkömmliche Programme sowie für komplexe Applikationen zu, für die das Metro-Design weniger geeignet ist.

Genau hieran entzündet sich die Kritik: Metro sei für produktives Arbeiten nicht geeignet, behindere den Anwender an einem “klassischen” Rechner zu stark und werde den Erfolg von Windows 8 verhindern. Was ist dran an dieser harschen Haltung?

Ich halte Metro für sehr gelungen und überzeugend. Die Designsprache ist modern, übersichtlich und neuartig. Vieles in Metro ist pfiffig gelöst und gibt Entwicklern wie Anwendern eine gute Orientierung über Applikationen, die einfach zu bedienen sein sollen. Da ich Metro auf einem Windows Phone kennengelernt habe und es auch in seiner Windows-8-Inkarnation auf einem Slate-PC teste (also einem PC in Tablet-Format, nicht zu verwechseln mit einem ARM-Tablet), neige ich dazu, mich auf die neue Bedienphilosophie einzulassen.

Noch dazu bin ich kein Anhänger der Argumentation “früher war alles besser, und ich will mich auf keinen Fall auf etwas Neues einlassen”. Trotzdem glaube ich, dass Microsoft Gefahr läuft, mit Windows 8 ein ähnliches Desaster zu erleben wie mit Windows Vista. 

Das Kernproblem, das zum Vista-Misserfolg geführt hat, war aus meiner Sicht kein technisches. Ausschlaggebend im Massenmarkt war die negative Haltung der Fachpresse und der “Blogosphere”, die sich schnell darauf eingeschossen hatten, Vista rundum zu kritisieren. Streckenweise wirkte es wie ein Wettbewerb, wann die Presse es schafft, Vista den Garaus zu machen. Viele der damals vorgebrachten Argumente waren nämlich derart wenig überzeugend, dass kaum ein anderer Grund dahinter stecken konnte. Erst Monate später stellte die Fachpresse dann fest, dass sie einen großen Fehler gemacht hat: Nahezu ihre gesamte Leserschaft war davon überzeugt, dass Vista schlecht sei, daher konnte man dazu keine konstruktiven Beiträge mehr bringen. Die Magazine konzentrierten sich also weiter auf Windows XP – das war thematisch aber schon dermaßen abgefrühstückt, dass auch der x-te Aufguss von “XP-Geheimnisse für Profis” die Leser nicht mehr zum Kauf der Magazine animieren konnte. Ein klassisches Eigentor also, den Magazinen blieben die Leser weg.

Die Haltung von Presse und Bloggern zu Windows 8 hat nun deutliche Anzeichen, die Vista-Geschichte zu wiederholen. Es gibt viel schrille und überzogene Ablehnung, doch auch einige durchaus differenzierte Betrachtungen, die ebenfalls zu dem Ergebnis kommen, dass die neue Windows-Bedienoberfläche dem Erfolg im Wege stehe.

Ich glaube, es gibt drei einfache Dinge, die Microsoft ändern könnte (und sollte), um das PR-Ruder herumzureißen, Windows 8 für PC-Anwender nahtlos nutzbar zu machen und Windows 8 zum (verdienten) Erfolg zu führen:

1. Ein modernes Startmenü auf dem Desktop

Bereits in der “Developer Preview” deutete sich an, was spätestens in der aktuellen Vorabversion den Unterschied zu allen Windows-Vorgängern seit Windows 95 ausmacht: Auf dem Desktop gibt es kein Startmenü mehr. Als Alternative positioniert Redmond den “Start Screen” in Metro-Optik. Viele Zusatzfunktionen in Metro sollen dem Anwender den Umstieg versüßen.

Das ist alles durchaus diskutierbar – aber der Umstieg ist zu hart. Zudem ist der Metro-Startscreen in manchen Situationen eben kein vollwertiger Ersatz für das klassische Startmenü. In RDP-Sitzungen etwa, die nicht im Vollbild laufen, ist der Desktop unter Windows 8 ohne Startmenü (zumindest momentan) praktisch unbenutzbar.

Abhilfe ist leicht: Man integriere ein modernisiertes Startmenü in die Desktop-Taskleiste. Da die Dateistrukturen, die hinter dem Startmenü stehen, natürlich auch in Windows 8 unverändert vorhanden sind, ist das technisch überhaupt kein Problem.

Fügt Microsoft das Startmenü nicht wieder hinzu, so werden die Community und Drittanbieter das Problem durch Zusatzprogramme lösen. Auf diesem Blog haben wir selbst bereits einen Lösungsansatz dafür vorgestellt. Das bedeutet für Microsoft aber eine Blamage ersten Ranges: In der externen Wahrnehmung müssten Dritte dafür sorgen, dass das neue Windows benutzbar ist.

2. Desktop optional nach der Anmeldung aktiv

Metro ist hervorragend geeignet für Tablets. Auf Rechnern, die man für komplexere Arbeiten verwendet, ist es als Standard-Oberfläche weniger oder gar nicht geeignet. Daher sollte der Anwender eine Möglichkeit haben, nach der Anmeldung direkt auf dem Desktop zu landen.

Es ist absehbar, dass für sehr viele Einsatzzwecke Programme im klassischen Desktop-Fensterstil das Design der Wahl bleiben werden. Komplexe Arbeiten lassen sich in einer stark reduzierten Oberfläche nicht sinnvoll ausführen. Wer aber ohnehin vorwiegend auf dem Desktop arbeitet, sollte nicht gezwungen werden, den Umweg über den Metro-Startscreen zu gehen. Es ist kein großer Aufwand, aber einer, der für viele Anwender ein emotionales Hindernis darstellt.

Auch hier ist Abhilfe leicht: Es sollte eine leicht erreichbare Option geben, nach dem Logon direkt im Desktop zu landen. Das erste Mal sollte Windows 8 dem Anwender diese Option bei der Installation bzw. bei der Ersteinrichtung von Windows präsentieren. Ich bin sicher, dass die Anwender auf Geräten, für die Metro gedacht ist (also vor allem auf kompakten Touch-Rechnern) der Empfehlung folgen werden, das aufgeräumte GUI zu verwenden.

Auch für das Umschalten auf den Desktop haben wir auf diesem Blog einen Workaround vorgestellt. Hier gilt dasselbe wie oben: Sieht Microsoft nichts dafür vor, werden Dritte in die Bresche springen; Blamage für Redmond und kommerzieller Misserfolg inklusive.

3. Suchfunktion auf dem Desktop

Auch die lokale Suchfunktion, die Microsoft in Windows Vista das erste Mal direkt ins Betriebssystem integriert hatte, ist nun auf den Metro-Startscreen gewandert. Für viele Anwender ist das Suchfeld im Startmenü von Windows 7 mittlerweile die bevorzugte Navigations-Option geworden. Zwar gibt es durchaus überzeugende Argumente der Windows-Entwickler, warum die Metro-Suchfunktion dem Suchfeld im Startmenü überlegen und oft auch schneller in der Bedienung sei. Trotzdem besteht ein logischer Bruch, wenn ich auf dem Desktop arbeite, für die Suche zum Metro-Startscreen wechsle und von dort auf den Desktop zurückspringe – vor allem wenn ich die ganze Zeit weiß, dass ich ein Element auf dem Desktop suche.

Für diesen wichtigen Punkt ist die Abhilfe praktisch schon in Punkt 1 enthalten: Natürlich muss das Suchfeld Teil des Startmenüs bleiben. Es mag dort die eine oder andere Einschränkung gegenüber der Metro-Suche geben, aber die Auswahl und die direkte Erreichbarkeit sind für Anwender nach meiner Einschätzung sehr wichtig.

Alles Weitere ist Kleinkram

Es gibt noch eine Menge weiterer Kritik und Verbesserungsvorschläge zu Windows 8. Vieles davon halte ich für berechtigt, andere Punkte sind diskutabel, wieder anderes ist Geschmackssache (und einiges halte ich für Unsinn). Verglichen mit den drei zentralen Punkten, die ich oben aufgeführt habe, ordne ich den Rest aber eher als Kleinkram ein, der dem Erfolg von Windows 8 nicht ernsthaft im Wege stehen würde.

Ja, auch die Hindernisse, die ich hier als die drei wesentlichen identifiziere, sind nüchtern betrachtet nichts als Kinkerlitzchen. Man halte sich allerdings die Reaktion der Anwender auf die Ribbons in Office 2007 vor Augen (sowie die wiederholten Aufschreie vieler Benutzer bei jeder weiteren Applikation, die von Menüleisten auf Ribbons umgestellt wurde) – es gibt immer noch viele Leute, die Ribbons für unbenutzbar halten und daher nicht auf Office 2010 (bzw. 2007) umsteigen. Dabei ist der Oberflächen-Wechsel der Ribbons erheblich kleiner als der vom Desktop auf Metro.

Man bedenke auch, dass das Betriebssystem zwar den Eindruck von einer Rechnerplattform prägt, gleichzeitig aber der Nutzen eines Betriebssystems einem durchschnittlichen Anwender nur schwer zu verdeutlichen ist. Der Effekt seinerzeit bei Windows Vista bestand darin, dass die Leute bei Windows XP blieben. Die Gefahr für Microsoft besteht nach meiner Einschätzung weniger darin, dass Anwender in Scharen zu MacOS oder Linux laufen werden, sondern dass sie bei Windows 7 bleiben (oder, was technisch betrachtet wesentlich schlimmer wäre, weiterhin auf Windows XP setzen).

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